In der Bibelrunde sprachen wir folgendes Gebet: „Gott, du sprichst zu uns durch Menschen. Du sprichst zu uns durch Texte, die etliche Jahrhunderte alt sind. Hilf uns, damit wir hinter den oft fremdartigen Worten deinen Ruf an uns heute vernehmen können.“
Solche fremdartige, Jahrhunderte alte Worte haben wir gerade gehört, gesprochen durch Johannes den Täufer. Mit Vorstellungen und Begriffen von damals macht Johannes drei Grundaussagen über Jesus. Er nennt Jesus „das Lamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“. Jeden Sonntag werden diese Worte vor der Kommunion gesprochen und wir wiederholen drei Mal „Lamm Gottes“. Weiter sagt Johannes: „Der Geist ist auf Jesus wie eine Taube herabgekommen und auf ihm (in ihm) geblieben“ und „Jesus ist der Erwählte, der Sohn Gottes.“ Was hat Johannes, in einer Sprache, die uns nicht mehr geläufig ist, gemeint? Wir müssen es übersetzen in unsere heutige Sprache.
Vom „Lamm Gottes“ spricht schon der Prophet Jesaja im 8. Jahrhundert v. Chr. Er meint damit den „Diener Gottes“, der unschuldig ist, „wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt." Die ersten Christen haben dieses Bild auf Jesus übertragen. Es gab auch jährlich das Schlachten des Paschalammes, zur Erinnerung an die Befreiung aus Ägypten. Wenn das Blut eines Lammes an die Türpfosten gestrichen wurde, ist der Erstgeborene nicht gestorben. Das Lamm - Jesus - als „Lebensretter“.
Im Tempel wurde auch oft ein Lamm geopfert als Bitte um Tilgung von Sündenschuld. Mit „Sündigen“ ist aber nicht an erster Stelle ein Übertreten von Geboten gemeint, sondern sich absondern, sich von Gott trennen sich von ihm abkehren. Das bringen eines Opferlammes soll die Verbindung mit Gott wiederherstellen. Eine bedeutungsvolle Bildsprache also. Jesus ist das Lamm, das uns wieder in Verbindung mit Gott bringt.
Und warum kann Jesus das? Weil Gottes schöpferische Lebenskraft in ihm wirkt. Johannes drückt das mit dem Bild einer Taube aus, die vom Himmel kommt. Die Taube war damals ein Sinnbild für Schönheit, Treue und Liebe. Der Geist Gottes „begeistert“ einen Menschen, erfüllt ihn mit innerer Schönheit, Treue und Liebe. Das Gegenteil, der Ungeist, macht hässlich, menschenverachtend, zerstörerisch. Jesus ist der Mensch, auf den, über den, in dem also der Geist Gottes wirkt.
Für Gott ist Jesus dann auch wie ein Sohn. Auch das ist ein tiefsinniges Bild. Ein Sohn hatte in der damaligen Zeit und Kultur einen ganz großen Stellenwert. Jeder Mann wünschte sich an erster Stelle einen Sohn, denn dieser musste seine Arbeit und sein Lebenswerk fortsetzen. Sein Sohn wurde zu seinem Stellvertreter, er sprach und handelte in seinem Namen, mit seiner Autorität. Jesus, der Sohn, sagt uns, wie Gott zu uns steht, was er von uns erwartet, wie Gott sich wahrhaftiges Menschsein vorstellt.
All dies steckt hinter den Aussagen von Johannes, der es als seine Aufgabe betrachtet, Menschen auf Jesus aufmerksam zu machen, damit sie sich Jesus anschließen. Er tut das in der Sprache seiner Zeit.
Zum Glauben an Jesus finden auch heute die meisten Menschen, indem sie von anderen auf Jesus und seine Weisungen aufmerksam gemacht werden. In der Regel sind dies zunächst die Eltern, Lehrer, Katecheten. Ohne ihre Hinweise auf Jesus würden viele nicht zu Jesus finden. Wir verdanken also anderen die Möglichkeit an Jesus glauben zu können. Wir brauchen andere, eine Glaubensgemeinschaft. Glauben ist zwar eine sehr persönliche Entscheidung, aber wir brauchen dazu die Hilfe anderer, die uns auf Jesus und auf Gott aufmerksam machen. Gott spricht zu uns durch Menschen.
Das Gebet in der Bibelrunde endete mit den Worten: „Hilf uns, damit wir hinter den oft fremdartigen Worten deinen Ruf an uns heute vernehmen können.“ Der Ruf Gottes, nicht nur an unseren Verstand, sondern auch an unser Herz gerichtet. Dieser Ruf Gottes in und durch andere, kann aus uns andere Menschen machen.